Schreiben an die 

Ministerpräsidenten und Gesundheitsminister der Länder

 

 

Ort, Datum

 

Spargesetz bedroht medizinische Versorgung

 

Anrede,

 

mit großer Sorge blicken die niedergelassenen Haus- und Fachärzte und -ärztinnen auf die geplanten Leistungskürzungen im ambulanten Bereich. Diese werden dramatische Auswirkungen haben – bis hin zum möglichen Zusammenbruch der ambulanten Versorgung. Noch hat die Politik, haben Sie, Zeit gegenzusteuern.

Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach plant mit dem GKV-Finanzierungsgesetz die einige Regelungen des früheren Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) zurückzunehmen. Das betrifft die kostendeckende Vergütung bei zeitintensiven Neupatienten sowie in den offenen Sprechstunden.

Ich spreche hier bewusst von „kostendeckend“. Anders als oft wahrgenommen, erhalten niedergelassen Haus- und Fachärzte nämlich keinen „Bonus“, wenn sie neue Patienten aufnehmen. Sie erhalten lediglich die Mehrkosten (Neupatienten sind deutlich aufwändiger als bekannte Patienten) endlich 1:1 vergütet. Bislang und bei vielen anderen Leistungen wird Ärzten nämlich ein „Zwangsrabatt“ für GKV-Leistungen abgezogen. Wer mehr Patienten pro Quartal behandelt als vorgesehen, wird dadurch bestraft. In 30 Jahren Budgetierung sind auf diese Weise rund 100 Mrd. Euro auf Kosten der Praxen – und damit mittelbar der Patienten – eingespart worden. Mit dem TSVG sollte diese Fehlsteuerung endlich entschärft werden.

Im Gegenzug für diese faire Finanzierung hat sich die Ärzteschaft gleichzeitig verpflichtet, wöchentlich 25 statt 20 Sprechstunden einzuführen (neben z. B. Terminblöcken für spezielle Untersuchungen, Behandlungen, ambulanten Operationen und Heim- und Hausbesuchen). Dadurch hat sich nicht nur die Arbeitszeit[1] der Ärztinnen und Ärzte erhöht, sondern auch die der Praxismitarbeiter. Teilweise musste neues Personal eingestellt werden, um den Mehrbedarf zu decken. Es sind also deutliche Kosten[2] entstanden. Auch die Umstellung der Praxisabläufe und notwendige Investitionen in die Praxisausstattung haben Geld gekostet.

Es ist nachgewiesen, dass die Ärzteschaft durch die Neupatientenregelung und die offene Sprechstunde für einen besseren und schnelleren Zugang gesetzlich versicherter Patientinnen und Patienten zur ambulanten Versorgung gesorgt hat.[3] Dabei wurde die versprochene Entschädigung für die Mehrkosten auf Betreiben der Krankenkassen bislang noch nicht einmal voll umgesetzt. Nun soll sie plötzlich – und sogar rückwirkend – wieder komplett abgeschafft werden.

Die Haus- und Fachärzte und Medizinischen Fachangestellten (MFA) haben also seit 2019 über 72. Mio (!) mal unter Einsatz von Arbeitszeit, Personal und Sachmitteln Leistungen erbracht, für die sie nun nicht das versprochene Geld erhalten sollen. Niemand käme auf die Idee, an der Kasse im Supermarkt nur 80 Prozent der Rechnung zu zahlen – schließlich habe der Supermarkt ja so viele Kunden, da könne er sich einen solchen Rabatt leisten. 

Es gibt aber zwei wichtige Unterschiede: Gesundheit ist keine Ware, die sich kaufen und ersetzen lässt. Und im Gegensatz zu Supermärkten, Energieversorgern, Vermietern und Co. können Arztpraxen auch nicht einfach ihre Preise erhöhen um höhere Kosten zu kompensieren.

Der einzige Weg, der Praxen in dieser Situation bleibt: Sie müssen Kosten sparen, indem sie 

·       unwirtschaftliche (aber für Patienten oft notwendige) Leistungen kürzen,

·       Investitionen unterlassen,

·       ggfs. Personal kündigen. 

Das betrifft u. a. Neupatienten. Prof. Karl Lauterbach hat 2019 selbst anerkannt, dass Neupatienten für Praxen oft unwirtschaftlich sind und es dringend nötig ist, Leistungen der Praxen in diesem Zusammenhang besser zu bezahlen.[4] Er selbst plädierte damals für jene Regelungen im TSVG, die er nun wieder streichen möchte. Dieser Wortbruch wiegt in den Augen der niedergelassenen Ärzte außerordentlich schwer. Er zerstört jegliches Vertrauen in die Verlässlichkeit der Politik.

Mehr als ein Drittel der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ist älter als 60 Jahre. In den vergangenen Wochen haben mich vielfach Zuschriften solcher Kolleginnen und Kollegen erreicht, die ankündigen, aufgrund der aktuellen Politik in den vorzeitigen Ruhestand gehen zu wollen.

Die Folgen für die ambulante Versorgung der Bürgerinnen und Bürger unseres Bundeslandes sind erheblich:

·       Immer weniger Arztpraxen stehen für immer mehr Patienten zur Verfügung

·       Die verbleibenden Praxen bieten gleichzeitig weniger Termine und Leistungen an

·       Patienten sind häufiger direkt von Aufnahmestopps und langen Wartelisten betroffen

·       Patienten, die zur ambulanten Behandlung in Krankenhäuser ausweichen, werden auch dort auf noch weiter steigende Überlastung treffen. Da die Behandlungskosten im stationären Sektor deutlich höher sind, werden die Kosten im Gesundheitswesen deutlich steigen, bei gleichzeitiger Verschlechterung der Versorgungsqualität.

 

Die gute Nachricht ist: Auch in der aktuell prekären Lage (Inflation, Pandemie, Krieg und marode Kassenfinanzen) gibt es Alternativen zu den aktuell geplanten Maßnahmen des GKV-Finanzierungsgesetzes, die die erforderlichen Summen einsparen ohne einen Versorgungsnotstand zu provozieren:

·       kostendeckende Beiträge für ALG-II-Empfänger (im Koalitionsvertrag festgeschrieben)

·       gesenkte Umsatzsteuer auf Arzneimittel 

·       höherer Steuerzuschuss

·       Abschaffung oder Reduktion versicherungsfremder Leistungen durch die Krankenkassen (u. a. Erstattung für Homöopathie, Sponsorings)

·       Bürokratieabbau

·       Wasserkopf in der Krankenkassen-Verwaltung abbauen

·       Boni für Krankenkassen-Chefs aussetzen

·       Sicherheitsupdate statt Austausch der TI-Konnektoren im Gesundheitswesen

 

In der Corona-Pandemie wurden 19 von 20 Patienten ambulant versorgt. Die Impfkampagne wurde sowohl in den Praxen als auch in den Impfzentren vor allem von den niedergelassenen Ärzten gestemmt. Anders als die Kliniken haben die Praxen allerdings keine finanzielle Unterstützung erhalten. Die extremen Kosten für Schutzausrüstung, Desinfektionsmittel etc. und der enorm erhöhte Aufwand bei der Aufklärung der Patienten zur Krankheit, Prävention, Impfung und zu den sich ständig ändernden Vorschriften – nichts davon wurde nur annähernd gegenfinanziert. Die Medizinischen Fachangestellten haben bis heute keinen Corona-Bonus erhalten. Die Belastung für die Praxisteams ist dagegen seit mehr als 2 Jahren unverändert hoch. Immer wieder entscheiden sich MFA den Beruf aufzugeben, weil sie dem Druck nicht mehr gewachsen sind und in anderen Bereichen unserer Wirtschaft angemessene Gehälter bei geringerer Belastung gezahlt werden. Der Fachkräftemangel ist bereits heute deutlich spürbar in den Praxen, und ohne politische Gegenmaßnahmen wird er sich weiter verschärfen.

In dieser Situation stellt der aktuelle Gesetzesentwurf zum GKV-Finanzierungsgesetz einen ungeheuren Affront sowohl gegenüber den MFA als auch gegenüber der Ärzteschaft dar. Die Versorgungssicherheit der Bevölkerung ist dadurch mittelfristig in akuter Gefahr.

Bitte helfen Sie uns, den Ärztinnen und Ärzten in der ambulanten Medizin, den medizinischen Fachangestellten – und damit auch unseren Patienten und den Bürgern dieses Bundeslandes. Helfen Sie uns, die ambulante medizinische Versorgung aufrecht zu erhalten. 

Bitte setzen Sie sich für die Änderung des GKV-Finanzierungsgesetzes ohne ungerechtfertigte Kürzung der Honorare und damit auch ohne Kürzung der medizinischen Leistungen in der ambulanten Versorgung ein. Damit sichern Sie auch die flächendeckende Medizin in unserem Land und zehntausende Arbeitsplätze von MFA!

Hochachtungsvoll

 

Dr.

 

P. S.: Sehr gerne würde ich Ihnen in einem persönlichen Gespräch weitere Details und Zusammenhänge erläutern und würde mich über eine Kontaktaufnahme durch Ihr Büro freuen.



[1] Durchschnittlich 50 Stunden pro Woche, in einigen Fachgebieten sogar knapp 60.

[2] Pro MFA ca. 70.000 Euro an Personalkosten.

[3] Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung: „Zi-Datenauswertung belegt positive Effekte der Neupatientenregelung auf Versorgungsqualität seit Einführung in 2019“, https://www.zi.de/presse/presseinformationen/27-juli-2022

Mitglieder nach Gesundheitsausschuss im Bundesrat nach Bundesländer sortiert

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Baden-Württemberg Baehrens, Heike # (SPD) Mitglied

Baum, Dr. Christina (AfD)

Mitglied

Engelhardt, Heike (SPD)

Mitglied

Hennrich, Michael (CDU/CSU)

Mitglied

Aeffner, Stephanie (Bündnis 90/Die Grünen)

Stellvertreter

Braun, Jürgen (AfD)

Stellvertreter

Cademartori, Isabel (SPD)

Stellvertreter

Katzmarek, Gabriele (SPD)

Stellvertreter

Kober,Pascal (FDP)

Stellvertreter

Mesarosch, Robin (SPD)

Stellvertreter

Müller, Axel (CDU/CSU)

Stellvertreter

Stumpp, Christina (CDU/CSU)

Stellvertreter

Bayern Funke-Kaiser, Maximilian (FDP)

Mitglied

Gürpinar, Ates (Die Linke)

Mitglied

Irlstorfer, Erich (CSU)

Mitglied

Lütke, Kristine (FDP)

Mitglied

Pilsinger, Stephan (CSU)

Mitglied

Sichert, Martin (AfD)

Mitglied

Stamm-Fibich, Martina (SPD)

Mitglied

 

Stöcker, Diana (CDU/CSU) Mitglied

Ullmann, Prof. Dr. Andrew # (FDP)

Mitglied

Wagner, Johannes (Bündnis 90/Die Grünen)

Mitglied

Weishaupt, Saskia # (Bündnis 90/Die Grünen)

Mitglied

Zeulner, Emmi (CSU)

Mitglied

Bahr, Ulrike (SPD)

Stellvertreter

Ganserer, Tessa (Bündnis 90/Die Grünen)

Stellvertreter

Köhler, Dr. Lukas (FDP)

Stellvertreter

Stracke, Stephan (CDU/CSU)

Stellvertreter

Straubinger, Max (CDU/CSU)

Stellvertreter

Walter-Rosenheimer, Beate (Bündnis 90/Die Grünen)

Stellvertreter

Berlin

Czaja, Mario (CDU/CSU) Lindemann, Lars (FDP)

 Stellvertreter

Brandenburg Koß, Simona (SPD) Stellvertreter

Bremen Kappert-Gonther, Dr. Kirsten (Bündnis 90/Die Grünen)

Mitglied

Hamburg

Heitmann, Linda (Bündnis 90/Die Grünen)

Mitglied

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Hessen Müller, Bettina (SPD) Mitglied

Schulz-Asche, Kordula (Bündnis 90/Die Grünen) Mitglied Adler, Katja (FDP) Stellvertreter

Lips, Patricia (CDU/CSU) Stellvertreter

Schmidt (Wetzlar), Dagmar (SPD) Stellvertreter

Mecklenburg- Vorpommern

Borchardt, Simone (CDU/CSU) Mitglied

Monstadt, Dietrich (CDU/CSU)

Mitglied

Niedersachsen Pantazis, Dr. Christos (SPD) Mitglied

Philippi, Dr. Andreas (SPD) Mitglied

Albani, Stephan (CDU/CSU) Stellvertreter

Bsirske, Frank (Bündnis 90/Die Grünen)

Stellvertreter

Janssen, Anne (CDU/CSU) Stellvertreter

Knoerig, Axel (CDU/CSU) Stellvertreter

Rinck, Frank (AfD) Stellvertreter

Troff-Schaffarzyk, Anja (SPD) Stellvertreter

Völlers, Marja-Liisa (SPD) Stellvertreter

Westphal, Bernd (SPD) Stellvertreter

Nordrhein- Westfalen

Baradari, Nezahat (SPD)Mitglied

Dahmen, Dr. Janosch * (Bündnis 90/Die Grünen)Mitglied

Heidenblut, Dirk (SPD)Mitglied

Hüppe, Hubert (CDU/CSU) Mitglied

Kippels, Dr. Georg # (CDU/CSU) Mitglied

Moll, Claudia (SPD) Mitglied

Schneider, Jörg (AfD) Mitglied

Vogler, Kathrin # (Die Linke) Mitglied

Westig, Nicole (FDP) Mitglied

Helling-Plahr, Katrin (FDP)
Klein-Schmeink, Maria (Bündnis 90/Die Grünen)
Stellvertreter

Peick, Jens (SPD) Stellvertreter

Timmermann-Fechter, Astrid (CDU/CSU) Stellvertreter

Rheinland-Pfalz Grau, Prof. Dr. Armin (Bündnis 90/Die Grünen) Mitglied

Mieves, Matthias David (SPD) Mitglied

Rüddel, Erwin (CDU/CSU) Mitglied

Machalet, Dr. Tanja (SPD)

Stellvertreter

Rüffer, Corinna (Bündnis 90/Die Grünen)

Stellvertreter

 

Sachsen

Dietz, Thomas (AfD) Mitglied
Piechotta, Dr. med. Paula (Bündnis 90/Die Grünen) stellvertreter

Bachmann, Carolin (AfD) Stellvertreter

 

Sachsen-Anhalt Sorge, Tino * (CDU/CSU) Mitglied

Wollmann, Dr. Herbert (SPD)Mitglied

Ziegler, Kay-Uwe # (AfD)Mitglied

Farle, Robert (AfD)Stellvertreter

Müller, Sepp (CDU/CSU)Stellvertreter

Reichardt, Martin (AfD)Stellvertreter

Sitte, Dr. Petra (Die Linke)Stellvertreter

Schleswig-Holstein

Möhring, Cornelia (Die Linke)

Stellvertreter

Thüringen Rudolph, Tina (SPD)

Mitglied